Exkurs: Wie neutral ist Sprache wirklich?

Sprache ist ein wichtiges Tool: Wir nutzen sie tagtäglich, um uns zu wichtigen Themen als auch Belanglosigkeiten auszutauschen, um Dingen Namen zu geben, Situationen zu beschreiben oder uns auszutauschen.

Wir gehen dabei immer davon aus, dass die Sprache den Anspruch hat, neutral zu sein. Tatsächlich ist das aber leider nicht der Fall. Besonders Frauen erleben leider oft, wie anders sich der Sprache bedient wird, wenn von ihnen gesprochen wird.

Boss vs. bossy 

Das wird an dem folgenden Zitat sehr deutlich: „What is the difference between being a boss and being bossy?” „Being a woman”.

Dieser Auszug kommt aus einem Interview mit America Ferrera und ist uns besonders im Gedächtnis geblieben, da es auf ein zentrales Problem unseres Sprachgebrauchs hinweist. (Zum Kontext: Sie wurde vorher in dem Interview gefragt, ob sie „bossy” wäre und sie antwortete daraufhin: „No, I would just say I’m a boss.”).

Was in diesem Interview passiert ist, dürfte leider einigen Frauen ein Begriff sein. Sprache vermittelt den Leitgedanken, neutral zu sein, nur leider ist sie das nicht immer.

Vor allem im beruflichen Kontext erleben Frauen immer wieder, dass für sie anderes, diskriminierendes Vokabular genutzt wird oder sogar die gleichen Wörter zum Einsatz kommen wie für Männer, aber diese bei Frauen negativ ausgelegt werden. Da passiert es zum Beispiel schnell mal, dass eine Frau häufiger als „bossy", also als herrisch bzw. herumkommandierend beschrieben wird, während das Äquivalent für den Mann immer noch der allgemeine, neutrale Begriff „Boss" ist.

Powerful & aggressive 

Um das Ganze noch weiter zu veranschaulichen, sind hier zwei weitere Beispiele aus dem beruflichen Sprachgebrauch:

2017 hat das Pew Research Center 4.573 Amerikaner:innen die Fragen gestellt: „Welche Eigenschaften werden in der Gesellschaft am meisten an Männern und an Frauen geschätzt? Welche Eigenschaften sollten Frauen und Männer nicht haben?” Dabei kam beispielsweise heraus, dass die Befragten das Wort „powerful” (stark, mächtig) in einem positiven Kontext nutzten, wenn sie Eigenschaften für Männer beschrieben, aber sobald es für Frauen genutzt wurde, war der Kontext zu 97% negativ.

Das Gleiche kann bei dem Wort aggressiv beobachtet werden. 2016 wurde in der „Elephant in the Valley" Survey, in der mehr als 200 Frauen in führenden Positionen befragt wurden, besonders die geschlechtsspezifische Diskriminierung auf Führungsebenen analysiert. 84% der Frauen in Führungsposition gaben an, als „zu aggressiv” bezeichnet zu werden. Bei Männern hört man das Wort „aggressiv” im beruflichen Kontext eher positiv („Seine aggressive Herangehensweise hat uns 10 neue Leads verschafft letztes Jahr!").

Beide Studien kommen übrigens aus dem Buch „Sway: Unravelling Unconscious Bias” von Pragya Agarwal.

Hysterie 

Und manchmal gibt es auch Worte, die explizit nur für Frauen genutzt werden und durchweg negativ gemeint sind. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Wort „hysterisch". Im Alltagsgebrauch, und leider auch im beruflichen Umfeld, wird dieses Wort gerne genutzt, um eine Frau als aufbrausend, gereizt oder übernervös zu beschreiben. Für Männer findet es jedoch keine Anwendung.

Das könnte an seinem sprachlichen Ursprung liegen: Das Wort „Hysterie" kommt aus dem alten Griechischen und bedeutet so viel wie „Uterus". In den letzten Jahrhunderten wurde es inflationär für sämtliche physische Krankheiten einer Frau als Diagnoseform genutzt (Hallo, Gender Health Gap), später gesellte sich mit Freud auch die psychologische Diagnose der Hysterie hinzu.

Was können wir tun? 

Es gibt einige Mechanismen, deren sich jede:r bedienen kann, um im Alltag besser mit geschlechtsdiskriminierender Sprache umzugehen: 

#1 Dem Thema Sichtbarkeit geben: 

Vielen ist gar nicht bewusst, wie unterschiedlich die Sprache für Frauen genutzt wird oder sie nehmen es nur unterschwellig wahr. Gerade deshalb ist es wichtig, sich dazu auszutauschen und aufmerksam zu sein.

#2 Feedbacken, wenn jemand in diesen Sprachgebrauch verfällt: 

Zu der Sichtbarkeit gehört auch, aktiv zu werden und Menschen darauf hinzuweisen, wenn diese sich geschlechtsdiskriminierender Sprachmuster bedienen.

#3 Sich selbst und sein eigenes Vokabular immer mal wieder kritisch in Augenschein nehmen: 

Nicht nur bei anderen, auch bei einem selbst tut man gut daran, ab und an sein eigenes Vokabular zu hinterfragen (z.B. „Würde ich dieses Wort genauso für einen Mann benutzen, wie für eine Frau?”).

Sprache für dich nutzen 

Der Einfluss von Sprache ist in jedem Lebensbereich zu spüren. Auch wenn du deine Herzensthemen nach außen kommunizierst und deine eigene Persönlichkeitsmarke entwickelst, ist sie ein großer Faktor. Kennst du deinen eigenen Tone of Voice und weißt, wie du Kommunikationstools effektiv für dich nutzen kannst?

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